Flares – Solar Empire

Flares – Solar Empire

Flares liefern hier ganz großes Sci-Fi-Kino, ohne den üblichen Konzeptalbenfehler zu begehen, Instrumentalisierung und die generelle klangliche Gestaltung dem Thema unterzuordnen.

Alle Songs (auch die Interludes) funktionieren auch losgelöst vom Rest des Albums für sich genommen wunderbar als ganz klassische Post-Rock-Stücke.

Flares sind schlecht und man sollte ihnen aus dem Weg gehen. Das erstmal vorweg.

Zu viele Flares und das Foto ist ruiniert. Je besser ein Objektiv, desto weniger muss man sich um Flares Gedanken machen. Moment – wir reden hier nicht über Objektive und Lensflares, sondern über eine Band namens Flares? Okay. Also nochmal von vorne.

Flares sind gut und man kann sie sich durchaus anhören. Klingt doch schon versöhnlicher.

Flares sind in diesem Falle eine Band aus Saarbrücken und haben gerade ihr erstes „richtiges“ Album mit dem Namen Solar Empire rausgebracht. Die fünf Jungs bieten hier schönen Post-Rock mit einigen harten Passagen und vor allem einem sehr starken Progressive-Einschlag, ohne dabei allerdings in ein stressiges Gefrickel abzudriften.

Das Promomaterial für dieses Album spricht von einer abstrakten Anlehnung an die Perry Rhodan-Saga – nun, mangels Kenntnis der dazugehörigen Groschenromane erschließt sich mir dieser Bezug zumindest auf inhaltlicher Ebene nicht. (Asche auf das Literaturwissenschaftlerhaupt. Self-Bashing und Wissenschaftliches Großgetue dürfen jetzt mal Hand in Hand gehen.)

Klanglich bewegt sich das Album aber durchaus in einem zum Retrofuturismusweltraumabenteuer passenden – Wortspiel! – Klangkosmos. Sind die Perry-Rhodan-Hefte seit inzwischen über 50 Jahren in den (Bahnhofs-)Buchläden in immer neuen Heften erschienen, nimmt uns Solar Empire auf eine kleine Reise durch klangliche Science-Fiction, bleibt dabei aber immer dezent. Anstatt mit an den frühen Sci-Fi-Soundtrackpionier Tristram Cary angelegten Klangcollagen zu hantieren (und postrockerwartenden Hörer zu verstören), setzen Flares akustische Stilmittel dezent, aber wirkungsvoll sowohl auf struktureller Ebene wie auch in den einzelnen Songs ein.

Während der Opener „Rainbow in BW“ erst sehr stark in Richtung Progressive-Rock (man denke hier an King Crimson) ausschlägt, um dann die unverkennbar postrocktypischen Gitarrenteppiche auszurollen und das anfangs entspannt dahinplätschernde Hauptthema in einem amtlichen Finale mit viel Distortion aufzulösen, entführt uns das darauffolgende erste von drei Interludes in sphärische Synthesizerklangwelten, die man so auch vermutlich in einem Sci-Fi-Filmchen erwarten könnte. Wohin die Reise geht, ist zu dem Zeitpunkt noch nicht abzusehen.

An der zweiten Station dieser Vierteilung durch Zwischenstücke erwarten den Hörer erstmal drei weitere Stücke. Während „Opaque“ (#3) und „The Skies Are Pregnant“ (#4) bedrohlich, nachdenklich daherkommen, löst sich Nummer 5, „Wanderer“, in einem fast hoffnungsvollen, simplen, aber schönen Finale auf, bevor das zweite Zwischenstück den Reisenden ein wenig isoliert und durch gerade-so-dissonante Gitarrenakkorde wieder eine tristere Grundstimmung vermittelt.

Diese Stimmung greift das siebte Stück, „Crystal Math“ (tolles Wortspiel!) anfangs mit einem – was ist es? – Glockenspiel, verschwurbelten Rhodes-Piano oder irgendeinem Synthesizer-Patch auf.

Man merkt: Der Autor dieser Zeilen ist im Instrumenteerkennen nicht allzu geübt. Ungeachtet dieses schleppenden Anfangs nimmt „Crystal Math“ bald jedoch ordentlich Fahrt auf und haut dem Hörer in den nächsten Minuten ordentlich viel Gitarren, Bass und Schlagzeug um die Ohren, um in einem kurzen Zwischenspiel ein vorzeitiges Ende vorzutäuschen und dann nochmal Gas zu geben. Das dritte, diesmal bedrohlich-dröhnende, technisch-knarzende Zwischenspiel leitet daraufhin die letzte Station der klanglichen Weltraumreise ein.

Der letzte Track namens „Apollonia Suite“ nimmt sich nun knapp über neun Minuten lang Zeit, das Album Revue passieren zu lassen. Progressiv angehauchte Drums kooperieren in diesem zusätzlich dreigeteilten Stück mit sphärischen Synthesizerpads und die Gitarre schlägt traurige Akkorde an. Klingt pathetisch, ist es auch. Und zwar auf eine ziemlich gute Art und Weise. Teil 1 der Suite, „Lament“, macht seinem Namen trauernd alle Ehre, wogegen Transit die Geschwindigkeit steigert und den Hörer sogar überrascht – hier hört man, fast schon weit entfernt, auf einmal ätherische Vocals aus den Boxen dringen. Schön gemacht, wirklich. Man steigert Stimmung (und Schönheit) des Songs immer weiter, bis auch dieser, der vermutlich schönste Part des Albums, leider ein Ende hat und der Abgesang mit dem Namen „Dwell“ mit ein Paar daherklimpernden akustischen Gitarren beginnt und den Hörer (viel zu früh) aus seiner Weltraumphantasie verlässt.

Erneut: klingt alles mächtig pathetisch. Das sollte aber niemanden abschrecken, denn Flares liefern hier ganz großes Sci-Fi-Kino, ohne den üblichen Konzeptalbenfehler zu begehen, Instrumentalisierung und die generelle klangliche Gestaltung dem Thema unterzuordnen.

Denn das ist das vielleicht schönste an Solar Empire: Alle Songs (auch die Interludes) funktionieren auch losgelöst vom Rest des Albums für sich genommen wunderbar als ganz klassische Post-Rock-Stücke. Einzeln handelt es sich um gute, weil gut geschriebene und aufwändig inszenierte Songs, zusammen genommen um ein gutes, weil dezentes Konzeptalbum auf sehr hohem Produktionsniveau inklusive Weltraumkopfkino. Das macht „Solar Empire“ zu einem noch besseren Album. Denn, seien wir mal ehrlich und begehen wir ein kleines Verbrechen an der Musikgeschichte: Wer hört sich Lieder wie „The Trial“ von Pink Floyds „The Wall“ einzeln an?

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Von Veröffentlicht am: 06.06.2014Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018834 WörterLesedauer 4,2 MinAnsichten: 878Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 1 Kommentar on Flares – Solar Empire
Von |Veröffentlicht am: 06.06.2014|Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018|834 Wörter|Lesedauer 4,2 Min|Ansichten: 878|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: |1 Kommentar on Flares – Solar Empire|

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Über den Autor: Robin Aust

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