Das Gegenteil von einfältiger Popmusik – Interview mit Die Heiterkeit
Mit Pop & Tod 1+2 haben die Heiterkeit eines der meist besprochenen Alben des letzten Jahres herausgebracht.
Am 21. November 2016 ist Die Heiterkeit ganz entspannt, denn am Tag zuvor haben sie den Off-Day ihrer Tour auf einem Bauernhof im Schwarzwald verbracht. Vor dem Konzert im Heidelberger Karlstorbahnhof hat PiN-Reporterin Charlotte Oelschlegel mit Bassistin Hanitra Wagner und Sängerin Stella Sommer gesprochen.
Stella: Ich war heute Morgen schon ausreiten und habe meine Reitklamotten an. Jetzt muss ich vor dem Konzert noch irgendwie versuchen in eine „Musik-Stimmung“ zu kommen.
Hanitra: Mir geht es ähnlich. Für mich war gestern der erste Tag der Tour, an dem ich eine Jogginghose getragen habe. Heute ist meine Strumpfhose blöderweise zerrissen. Jetzt muss ich auch den Entspannungsmodus ausschalten. Natürlich sind wir weiterhin entspannt, aber in einer anderen Klamotte und nicht mehr in Jogginghose.
Hanitra: Ich würde gar nicht sagen, dass wir wirklich Streit haben. Natürlich zickt man sich manchmal ein bisschen an oder ist genervt, aber jeder für sich hält die Gruppe ein Stück weit zusammen. Dadurch, dass wir uns alle sehr schätzen, gibt es gar nicht diesen Moment, dass man super genervt von dem anderen ist und ein riesen Streit entsteht. Ich hoffe das bleibt so.
Stella: Bei uns ist es aber auch so, dass alle die uns auf unserer Tour mal ein Stück begleitet haben meinen, dass wir eine sehr entspannte Gruppe sind. Wir sind ja meistens auch nur zu sechst unterwegs, alles verläuft sehr gemütlich.
Stella. Es ist schwierig das genau auf den Punkt zu bringen. Durch die vielen Wechsel gibt es schon einige Unterschiede, es sind ja immer andere Leute. Bis lang fand ich es immer sehr faszinierend, wie schnell man sich wieder aufeinander eingestellt hat und dass es gar keine schweren Brüche waren, sondern eine flüssige Weiterentwicklung.
Stella: Das kommt darauf an, wo man herkommt. Für mich ist es einfach wenn man zurück in die 60-Jahre geht, da kommen auch viele der Harmonien in unseren Songs her. Meiner Meinung ist das klassische Popmusik, nur dass in Deutschland die Popmusik extrem glattgebügelt ist, so dass man gar nicht mehr richtig weiß, wie Popmusik funktioniert oder was man eigentlich machen kann. Popmusik in Deutschland ist sehr einfältig.
Hanitra: Ja dieses sakrale Moment gibt es und ist auch sehr opulent in unserer Musik. Ich wüsste für mich keine Beziehung zur Kirche herzustellen, weil ich das für mich für ganz großen Quatsch halte.
Stella: Ich habe auch keine direkte Verbindung zur Kirchenmusik aber man muss natürlich sagen, dass wir alle einen klassischen Musikhintergrund haben. Dadurch bekommen die Harmonien automatisch etwas sakrales. Wobei ich schon sagen muss: Bei Leonard Cohen wird ja auch immer gesagt, dass die Musik etwas Sakrales hat und das fand ich immer sehr schön. Das bringt einen in so eine feierliche Stimmung.
Hanitra: Es bringt natürlich eine gewisse Basis mit, aber es ist schon erstaunlich, dass wir alle aus dem klassischen Bereich kommen und jetzt alle in einer Form Popmusik machen. Ich kenne aber auch genug Leute, die als Kind nie Musik gemacht haben und sich einfach irgendwann die Gitarre geschnappt haben und drauf los gespielt haben. Man hat zwar einen anderen Startpunkt, wenn man sich beispielsweise mit Harmonielehre ein bisschen auskennt aber das muss nicht zwangsläufig sein.. Es gibt genug, die es nicht von der Pike auf gelernt haben und trotzdem wahnsinnig gute Musiker sind.
Stella: Wenn man zurückgeht und Texte anhört die ich gut finde, sind es immer die, in denen es nicht um Dinge wie „Boy meets Girl“ geht. Das kann natürlich auch schön sein, aber ich finde nicht schlimm auch mal über Sachen zu singen, die nicht schön sind.
Stella: Das war ziemlich überspitzt formuliert aber es gibt bei uns eine wahnsinnige Schere wieviel über uns berichtet wird und wie viele Zuschauer dann tatsächlich zu unseren Konzerten kommen. In größeren Städten funktioniert es, aber gerade an Orten wie in Heidelberg kommt dann auch niemand, wenn keine Journalisten kommen (lacht). Mir ist es eigentlich egal wer unsere Musik hört, wir freuen uns über jeden, der etwas damit anfangen kann.
Stella: Hängt von der Person ab. Leute die nur Mainstream-Musik hören sind unsere Art Musik zu machen vielleicht gar nicht gewöhnt. Es ist ja doch alles sehr gleichförmig, was im Radio läuft. Da achtet man dann auf andere Sachen und kann mit uns nichts anfangen.
Hanitra: Das Ding ist ja: Wenn man Stellas tiefen Altgesang weglassen würde, wäre es von der Instrumentierung und musikalisch gesehen klassische Popmusik. Wenn jetzt Stellas getragene Stimme dazukommt, die sehr trocken klingt, reiben sich viele Leute daran. Die würden sagen: Das ist eigentlich Postpunk aber durch den Gesang kommt ein anderer Charakter dazu. Wie Stella schon gesagt hat, wir freuen uns über jeden der die Musik hört. Die Leute die damit nichts anfangen können gibt es natürlich auch, aber damit muss man zurechtkommen. Zumal das letzte was wir machen würden Mainstream Radiomukke ist (lacht). Das ist echt ein Feld, wo mir manchmal die Haare ausfallen… Wenn ich das Radio anmache und denke: Die deutsche Radiolandschaft ist einfach so unfassbar traurig und gleichförmig. Sowas nicht zu machen ist für mich die logische Konsequenz.
Stella: Ja wir könnten es machen, machen es aber nicht.
Stella: Es geht nicht darum, dass man mit Feminismus in Verbindung gebracht werde, sondern dass wir nicht verstehen warum es thematisiert werden muss. Bei Typen redet da ja auch niemand davon! In dem Moment wo es thematisiert wird, wird man wieder auf sein Geschlecht beschränkt und das ist eigentlich noch der schlimmere Sexismus, weil es gut gemeinter Sexismus ist.
Hanitra: Ich glaube, dass jede Frauengruppe einen feministischen Standpunkt einnimmt der gar nicht mal klar formuliert sein muss. Das kann jeder für sich selbst entscheiden. Das Ding ist, dass wir uns darüber gar keine Gedanken machen. Wir sehen uns nicht als feministische Band. Das ist totaler Quatsch und passiert erst in dem Moment, in dem jemand auf uns zu kommt und sagt: Ihr als Frauenband… Damit bringt man uns in die Situation, dass wir darüber reden müssen, warum wir als Frauen Musik machen. Auch in gewisser Weise in die Situation, dass wir uns rechtfertigen müssen. Das sollte eigentlich kein Thema sein. Das nervt.
Stella: Ja ich finde auch den Ansatz komplett falsch. Ich meine, wir machen ja Musik. Uns muss man da nicht fragen. Wir werden für irgendwas instrumentalisiert, wo wir überhaupt keine Lust haben darüber zu reden. Durch das Musik machen tun wir schon viel mehr dagegen, als wie wenn wir darüber reden.
Die Heiterkeit auf Tour:
02.02.17 Nürnberg – Z-Bau (TICKETS via ADticket)
03.02.17 Augsburg – Soho Stage
04.02.17 Konstanz – Kula Konstanz (TICKETS via ADticket)
05.02.17 Baden (CH) – One Of A Million Musikfestival Baden
06.02.17 Freiburg – Slow Club Freiburg
07.02.17 Oberhausen – Druckluft
08.02.17 Hamburg – Nochtspeicher
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