All The Luck In The World – A Blind Arcade

All The Luck In The World – A Blind Arcade

Vielfältiger und tiefsinniger Indiefolk voller kaum greifbarer Akzente gespickt mit kompositorischem Talent.

LP kaufen Vö: 23.02.2018 All The Luck In The World

Die Band mit dem etwas sperrigen Namen All The Luck In The World besteht aus drei versierten Musikern und stammt von der grünen Insel Irland. Im Jahre 2012 gelang dem Trio ein etwas größerer Wurf, als für einen weltweit ausgestrahlten Werbespot eines Reisevergleichsportals, der Song „Never“ ausgewählt wurde, der sicherlich jedem, der in den letzten 5 Jahren nicht unter einen Stein gewohnt hat, sicherlich ein Begriff ist. Es folgte ein beachtetes, selbstbetiteltes Debutalbum im Folgejahr, in der Zwischenzeit wurde es eher still um die Insulaner, die sich offenbar darauf konzentriert haben, wundervolle Songs für ein zweites Album zu schreiben. So erblickt „A Blind Arcade“ just das Licht der Welt und weiß zu begeistern.

Der Opener „Landmarks“, zugleich die erste Single, schwebt wie verzaubert in den Raum. Andächtige Akustikgitarren, die schon bald von einem deutlichen, organischen Bass und einer angenehmen, sanften Stimme begleitet werden. Melancholische Melodien erwachsen aus einer Vielzahl von herumeilenden Tönen, die bis auf einzelne Flageoletts und einige Streicher unmöglich sicher zuordnen kann. Alleine wie man die Rhythmen erzeugt hat, ist mir völlig schleierhaft. Man merkt auch am glasklaren Sound, dass man sich hier wirklich Zeit genommen hat um eine nahezu perfekte Aufnahme zu erschaffen. „Pages“ arbeitet neben einem basischen Fundament aus Akustikgitarre, Bass und Cello, wieder mit allen möglichen Hintergrundgeräuschen, die wohl in den Aufnahmeprozess mit eingewoben wurden. Zur sehr vorsichtig agierenden Hauptstimme gesellen sich noch weiter, manchmal geisterhafte Zweitstimmen. Das trotz der spärlichen Instrumentierung regelrecht symphonisch wirkende „Golden October“ baut sich stetig im Kopf des Hörers auf. Einfache Gitarren erzeugen wunderbare Melodien und verschrobene Leads, die Akzentuierung ändert sich dabei ständig. Es gibt Fiddlefetzen und andere Streicher und auch als solche erkennbare Trommeln. Man verliert sich wirklich sehr schnell in der Musik.

„A Thousand Eyes“ beginnt mit einer Münze, die auf einen Holzboden fällt und davon rollt. Die Stimme gewinnt an Kraft, es gibt wieder unzählige Melodien zu entdecken. Der Bass als leicht pumpende Grundlage der sonst so ruhigen Musik führt zu einem unerwarteten Tempowechsel und der Verwendung eines Delays, während es im Hintergrund plätschert als würde jemand mit nackten Füßen in einer Pfütze herumspringt. Ich habe einige Zeit nach dem richtigen Wort zur Beschreibung der Musik gesucht, ich denke „lebendig“ trifft hier wie die Faust auf’s Auge. Das Riff von „Starboard“ durchbohrt Zeit und Raum und setzt sich fest. Man kann sagen, hier wurde einfach hervorragend komponiert, virtuos und durchdacht, im Indie-Folk-Genre nicht unbedingt an der Tagesordnung. Irgendetwas piept und klingelt hintergründig, dazu kommen rückwärts gespielte Tonspuren und verleiht dem Ganzen einen gewissen Avantgarde-Faktor. Die Streicher schaffen die gewohnte Räumlichkeit und alles geht dem roten Faden nach. „About the Ghosts“ bringt ein Klavier ins Spiel und wirkt durch den vielstimmigen Gesang und die wie üblich eingeflochtenen Geräusche tatsächlich etwas geisterhaft. Man kann mal wieder schlecht sagen, welche Instrumente hier am Werk sind, bis ein tatsächliches Schlagzeug und eine schwer zu durchdringende Dichte endlich alles vernebeln. Es mischt sich eine leuchtenden Akustikgitarre darunter (darüber, wer weiß das schon) und es klingt wie ein völlig anderer Song. Irgendwann fließen alle Stränge zusammen und erzeugen dabei wahrlich großes.

Das folkpoppige „Contrails“ klingt vorerst wie mit einem Kassettenrekorder aufgezeichnet und arbeitet mit Picking und Streichern. Tiefe, moderne Bassdrumschläge unterstützen ein durchaus poppiges Gerüst, bis irgendwann ein ungeahnter Ausbruch den vermutlich druckvollsten und fettesten Klangmoment des Albums beschert. Man kommt aus dem Staunen kaum mehr heraus! Das eher ruhigere und etwas unspektakuläre „Moon“ ist ein träumerisches Indie-Folkstück, dem der irische Akzent des Sängers eine besondere Note verleiht. Besonders ist hier allerdings der kaum greifbare Rhythmus und die dezente, sicherlich zum Weiterwachsen bestimmte Melodie. Richtig gute Laune stellt sich erstmals mit „Into The Ocean“ ein, das wesentlich transparenter daherkommt als die anderen Stücke. Gefühlte tausend Instrumentensaiten, sich ändernde Lautstärke und eine sehr eingängige Melodie schaffen hier ein Radiostück. Könnte von mir aus täglich laufen, besser als die anderen ist es allemal. Das leicht an Ben Howards beste Zeiten erinnernde „High Beams“, nebeliger Folk mit hektischem Gekloppe und einer brüllenden Orgel, leitet hin zum würdigen Albumabschluss „Abhainn“. Der nach einem irischen Fluss benannte Bombastfolker lässt noch einmal alles umher schwirren und wirkt dabei wir ein sehr klassisches Stück. Zum Ende hin werden alle möglichen Register gezogen, Bläser und Streicher formen ein Orchester und alles klingt wie das Finale eines großartigen Films!

Ich muss sagen, ich war aufgrund des arg bunten Covers und der mittlerweile sehr präsenten Bezeichnung „Indie-Folk“ überaus skeptisch, aber hier wird wirklich Großes geschaffen und ich bin mir sicher, dass das Stückchen noch sehr oft auf meinem Teller landen wird.

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Von Veröffentlicht am: 20.02.2018Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018829 WörterLesedauer 4,1 MinAnsichten: 863Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 0 Kommentare on All The Luck In The World – A Blind Arcade
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Über den Autor: Steffen Eggert

Ich bin 37, verheiratet, habe zwei Töchter, lebe in Bayern und bin im echten Leben Sozialpädagoge. Meine musikalischen Wurzeln liegen grundsätzlich im Bereich Indie, Punk und im klassischen Heavy Metal, bin aber eigentlich offen für alles, solange es gut gemacht ist...

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