Boneflower – A(r)mour
Kontrastprogramm: Boneflower machen rauen Screamo zugänglich
Vö: 09.03.2020 Dog Knights Productions BandcampDa man im klassischen Screamo (meint: nicht die kommerziell erfolgreiche Kajal-Variante der frühen 00er) ja schon eher einen Nischengeschmack bedient, ist man als Genrevertreter schonmal grundsätzlich ein Geheimtipp unter lauter Geheimtipps. Keine guten Voraussetzungen, um den nächsten großen Hype zu starten.
Und so wollte es das Schicksal, dass A(r)mour, das zweite Album der aus Madrid stammenden Boneflower, weitgehend unbemerkt Anfang März das Licht der Welt erblickte.
Allerdings wurden die Spanier natürlich (wie so ziemlich jeder Mensch auf der Welt) mehr als unglücklich von der Coronakrise getroffen. Denn für Mai war eine (verhältnismäßig) großangelegte Europatour mit den kalifornischen Brüdern im Geiste State Faults geplant. Jene hatten bereits letztes Jahr mit ihrem Quasi-Comeback Clairvoyant für einiges Aufsehen unter Genreliebhabern gesorgt und hätten Boneflower auf diesem Wege sicher einige neue Fans beschert.
Die Ähnlichkeiten liegen auf der Hand: Beide wurzeln wie schon beschrieben im klassischen Screamo, reichern das übersteuerte Geschrei und das infernalische Gebolze aber um Zutaten aus Post-Rock und Emo an. Boneflower zeigen sich sogar noch eine Spur melodieseliger und vertrauen nebenbei viel auf Klargesang, was den Sound nochmal zugänglicher macht.
Der Opener Saltpeter übernimmt direkt den Löwenanteil der Überzeugungsarbeit: Mit über vier Minuten Spielzeit knapp zweitlängster Song auf A(r)mour, vermengt er Geschrei und Raserei, Schönklang und Dissonanz und krönt sich mit dem epischen Schlussteil zum absoluten Highlight. Allerdings legen die Spanier die Messlatte damit so hoch, dass sie im weiteren Verlauf trotz großer Anstrengungen nie mehr ganz rankommen.
Mitreißend bleiben Boneflower trotzdem über den Großteil der Spielzeit: Vestiges beispielsweise besticht mit raumgreifenden Emo-Chorus, Polarity und Starless vereinen Wucht und Wehmut und Tangled (mit grandioser zweiter Hälfte!) erinnert in seinem getragenen Tempo und der melancholischen Grundstimmung stark an Pianos Become The Teeth zu Keep You-Zeiten.
Etwas zu beliebig wird es auf A(r)mour immer dann, wenn allein auf instrumentale Interludes vertraut wird – mit Bromelia, Boötes und Tangled finden sich gleich solcher Stücke, die für sich genommen zwar nicht schlecht geraten sind, bei einer Gesamtspielzeit von 30 Minuten jedoch zu oft Fahrt rausnehmen.
Auf der Habenseite steht dafür ein untrügliches Gespür für die richtige Balance zwischen ungestümer Härte und einnehmendem, fast hymnenhaftem Melodieverständnis.
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