Bonnie Prince Billy – I (have) made a Place

Bonnie Prince Billy – I (have) made a Place
Vö: 15.11.2019 Domino Records LP kaufen

Will Oldham, der seit 1999 unter dem Künstlernamen Bonnie Prince Billy auftritt, ist zweifellos einer der wandlungsreichsten und produktivsten amerikanischen Künstler, der sich immer wieder neu erfindet und seit mehr als einen viertel Jahrhundert wunderbare Songs, gerne mit religiösen oder zeitgeschichtlichen Motiven, veröffentlicht und in einer ganzen Reihe meist Independent-Filmen u.a. The Guatemalan Handshake (2005), Old Joy (2006) und A Ghost Story (2017) sein schauspielerisches Talent bewiesen hat.

Einige seiner schrulligen Eigenschaften z.B. ungehemmt wuchernder Bartwuchs, schwarz oder rot lackierte Fingernägel und in Videos ein weiß angemaltes Gesicht, wie zu Stummfilmzeiten die dunkelhäutigen Darsteller, hat er dabei kultiviert und ausgelebt. Viele seiner Musik-Videos sind selbst kleine Film-Geschichten und Oldham zeigt auch darin seine große Wandlungsfähigkeit und künstlerische Ausdruckskraft. Ob als Sonderling mit Walross-Zähnen (New Black Rich) oder Wiederauferstandener Toter (The Curse) Will Oldham hat den Mut zur Hässlichkeit. Die Kooperationen mit vielen Größen des Showbusiness haben seine unglaubliche Popularität stets befördert, insbesondere die Zusammenarbeit mit Johnny Cash, der seinen Song I see a darkness coverte.

Das neue Album I (have) made a Place ist von Anfang bis Ende eine Wundertüte. Das beginnt bereits vor der Veröffentlichung als von der Plattenfirma Drag City zuerst der Video zum Song At The Back of the Pit und dann der Video zum Song In good faith veröffentlicht werden, die beide als Tracks „from full-length Bonnie Prince Billy album, available November 15, 2019 on Drag City and Palace Records“ angekündigt werden, dann aber beide nicht auf dem Album zu finden sind und auch nicht als Singles veröffentlicht werden.

Genauso geheimnisvoll ist das Rätsel um den Album-Titel. Auf dem Cover ist deutlich zu lesen I have made a Place aber in den Verkaufskatalogen von Amazon, iTunes, Spotify oder beim stationären Händler wird das Album überall unter dem Titel I made a Place geführt. Auf Nachfrage bei der Promotion-Agentur gibt es folgende Antwort: „Das „have“ ist auf expliziten Wunsch des Künstler nur auf dem Album-Artwork drauf.“

Aber nun zum Album selbst. Wer Will Oldham aka Bonnie Prince Billy kennt, der weiß, was ihn erwartet und der wird keinesfalls enttäuscht sondern freut sich über die Leichtigkeit, mit der Oldham diesmal seine Gedanken zu den großen Themen Liebe und dem Zustand der Welt präsentiert. Das gab es schon deutlich depressiver und schräger.

Mit 13 Songs ist das Album randvoll mit Folk, Country, Bluegrass und tollen Texten. Das startet schon mit dem ersten Song New Memory Box, der zum Squaredance und Schunkeln auffordert. Eine Quelle der Lebensfreude und der passende Einstieg in dieses flotte Album. Deutlich beschaulicher der nächste Song Dream awhile, der wie ein Traum dahinfließt, bevor bei The Devils Throat die Fidel wieder das Kommando übernimmt und das Tanzbein geschwungen wird.   

Look Backward on Your Future, Look Forward to Your Past ist dann klassisches Singer-Songwriter-Stück und eine schöne Parabel auf Lebensweisheiten. Moll-getränkter wird es beim Titeltrack I made a Place, der musikalisch in die alten Zeiten der Anfangs-Projekte Palace und Palace Brothers zurückreicht. Sobald der letzte Ton verklungen ist, sind die Tanzrhythmen wieder dran, Squid Eye ist wieder eine flotte Tanznummer. Country und Bluegrass halten sich hier die Waage.

Bei You Know the One wird das Tempo wieder zurückgenommen, um vor den HörerInnen eine schöne religiöse Freundschaftserzählung auszubreiten. Mit dem reduzierten This Is Far From Over folgt gleich ein intensiver und intimer Song, einer der besten auf dem Album. Der folgende Song Nothing Is Busted ist genauso schön und rührt zu Tränen mit der seiner klagenden Wehmuts-Melodie. So wunderbar ergreifend leidet nur Will Oldham.

Ein kleines Stück beschwingter kommt Mama Mama daher, eine klassische Will Oldham-Country-Nummer. Eine dahin schrammelnde Gitarre und ein stolperndes Klavier mittendrin. Genauso schon getragen mit weniger Country folgt The Glow Pt. 3, das durch schönen Duettgesang überzeugt.

Danach packt Will Oldham wieder den Songwriter aus und präsentiert mit Thick Air einen ganz tollen Song mit viel Hoffnung zwischen den Noten. Wer Songwriting studieren will, sollte sich diesen Song als Vorlage nehmen. Zum Abschluss des Albums folgt mit Building a Fire erneut einer dieser typischen Will Oldham-Songs, in denen es um die Liebe in ihrer intimsten Form als Kenntnis des gegenüber geht. Wunderbare Gefühle in eine warme Melodie verpackt. Solche Songs sind der Grund, warum Oldham zu Recht zu den ganz großen Songwritern unserer Zeit gezählt wird.

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Von Veröffentlicht am: 01.01.2020Zuletzt bearbeitet: 02.01.2020766 WörterLesedauer 3,8 MinAnsichten: 800Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 0 Kommentare on Bonnie Prince Billy – I (have) made a Place
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Über den Autor: Richard Kilian

"Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik" Wer mit Stephen King, Charles Bukowski, Andrew Vachss und Elmore Leonard sowie Marillion, Cigarettes after Sex, Motorpsycho, The Jayhawks, Sufjan Stevens, Rush und God is an Astronaut etwas anzufangen weiß, der ist bei mir richtig.

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