Deerhoof – The Magic
Die besten Deerhoof-Songs klangen immer ein bisschen wie eine Musikschulklasse kurz nachdem der Lehrer das Klassenzimmer verlässt – ein Haufen Kinder, der rebellisch gegen alle Songkonventionen verstoßend alles übereinander spielt, was ihnen Spaß macht. Auf „The Magic“ schaltet das experimentelle Rock-Quartett aus San Francisco jedoch zwei Gänge zurück.
Deerhoof haben ihr 13. Album in einem verlassenen Büro im staubigen Niemandsland von New Mexico aufgenommen. Die Wüste lässt sich schon am Sound erahnen: „The Magic“ ist beinahe ein straightes Garage-Rock-Album geworden. Klang der Vorgänger „La Isla Bonita“ noch nach hyperaktivem Gute-Laune-Mathrock Marke Battles, lassen sich hier four-to-the-floor Drumbeats und Hair-Metal-Riffs finden. Damit distanziert sich die Band noch weiter von ihren Weird-Prog-Rock-Klassikern „Apple O“ und „Milk Man“, von Kritikern und Fans gleichermaßen vergötterte Meilensteine der experimentellen Pop-Collage. Platten, auf denen dir jederzeit der sichere Boden unter den Füßen weggerissen werden könnte.
Auf „The Magic“ weht ein anderer Wind: Lo-Fi! Viervierteltakt! Rock!
Der Opener „The Devil and his Anarchic Surrealist Retinue“ ist sommerlicher Jangle-Rock mit treibendem Drumbeat und einem kleinen R’n’B-Twist gegen Ende. Nur die sich gegenseitig überschlagenden Gitarrenlinien der Gitarristen John Dieterich und Ed Rodriguez sowie Satomi Matsuzakis niedlicher Gesang erinnern an die alte Deerhoof-Freakshow. „Kafe Mania“ ist unverschleierter Riff-Rock, das von Schlagzeuger Greg Saunier gesungene „That Ain’t No Life For Me“ schnörkelloser Garage-Punk. Ein wenig zu oft tauschen Deerhoof ihre beliebte Sprunghaftigkeit gegen eingängige, aber vorhersehbare Rocksongs ein.
Trotzdem findet sich auch auf „The Magic“ die unwiderstehliche Deerhoof’sche Spielfreude: Bei „Model Behaviour“ demonstriert Saunier sein einzigartiges Gespür für Akzentuierung, während der Rest der Band fröhlich groovend Kreise um sein Schlagzeug zieht. Dazu singt Matsuzaki mit der kindlichen Unschuld eines Schulmädchens immer wieder: „Do, Re, Mi, Fa“.
Der Abschlusssong „Nurse Me“ erinnert einen mit seinen kreischend durigen Gitarrenlicks und der herrlich ungeraden Strophe (mit Klangholz!) daran, warum einem diese Band früher so viel Spaß gebracht hat. Auf dem The Ink Spots-Cover „I Don’t Want to Set the World on Fire“ hauchen Deerhoof einem über 80 Jahre alten Song mit Hilfe vom Drumcomputer und einem schrägen E-Piano frisches Leben ein. Und wer bei der kleinen Hairmetal-Seltsamkeit „Disposesser“ nicht fröhlich durch sein Zimmer mosht, dem ist wahrscheinlich überhaupt nicht mehr zu helfen.
Das Ergebnis ist ein gewitztes, solides Sommer-Rock-Album, in seinen schwächsten Momenten überraschend belanglos, in seinen besten Momenten wunderbar unvorhersehbar.
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