Gifts From Enola – A Healthy Fear

Gifts From Enola – A Healthy Fear

Nanu, Gesang? Nette Melodien und eingedickte Riffs wechseln sich brav ab, die Elektrogeräte vergangener Longplayer bleiben dafür aber größtenteils im Schrank stehen. Kaum Elektrobeats, keine wirklich auffälligen Samples. Gifts From Enola wissen, dass es auch ohne geht.

Ist’s schon wieder so weit, dass ein neuer Terminus für die neuesten Erzeugnisse dieses eh schon schwer zu kategorisierenden Genres namens Postrock gefunden werden muss? Postpostrock klingt da bei Gifts From Enolas neuestem Album A Healthy Fear fast schon angebracht, zumindest mit Blick auf die vermutlich aktuell populärste Spielweise des Postrocks, die despektierlich auch Crescendocore genannt wird. Leise, lauter, laut, noch lauter, am lautesten. Dazu schöne Melodien und tunlichst kein Gesang.

Laut geht’s auf A Healthy Fear zwar definitiv zu – und zwar von Anfang an, ohne Crescendo oder Vorwarnung oder whatever. Melodisch zwar auch, wenn auch weitaus rifforientierter als bei einigen genreverwandten Künstlern. Dafür aber – nanu, ist es denn wahr – mit Vocals. Die waren zwar auch schon in ähnlich distanzierter Form auf Gifts From Enolas selbstbetiteltem letzten Album zu finden, nehmen auf A Healthy Fear aber bei aller Hintergründigkeit doch eine prominente Stelle ein – das wird besonders bei Cherry, dem dritten Track des Albums, ersichtlich. Mit Crescendocore hat das nichts zu tun, mit Postrock, der in der Form von Gifts From Enola seine Klischeehaftigkeit (endlich?) überwunden hat, schon viel eher. Oder machen Gifts From Enola garkeinen Postrock, sondern gar Posthardcore? Die last.fm-Tagcloud ist sich zumindest einig: die vier Amerikaner machen Postrock, Ende. Posthardcore wird als Tag zwar auch angeführt, aber ähnlich oft mit Gifts From Enola verbunden wie „screamo“, „indie rock“, „pop punk“ und sogar „pop“. Last.fm, I doubt thy judgement! Na, immerhin finden sich auch Tags wie „groovy“, „great“, „genius“, „happy“ – und „hmm“.

Dass Gifts From Enola zumindest noch bei Wikipedia als hauptsächlich instrumentale Band geführt werden, ist spätestens seit A Healthy Fear zu revidieren. Hier handelt es sich nicht um eine instrumentale Band, die als Gimmick ab und an mal einen Song mit Vocals auf’s Album packt, wie es bis vor kurzem beispielsweise bei Long Distance Calling der Fall war. Ähnlich wie scheinbar auch Long Distance Calling in Zukunft tragen die Vocals einen wichtigen Teil zum Gesamtkonzept des jeweiligen Stückes bei, ohne aber in Verse-Bridge-Chorus-Verse-Bridge-Chorus-Strukturpop abzudriften.

Genug aber von der Verwunderung eines Crescendocorehörers der auf einmal Vocals in seiner Suppe findet. Auch wenn, und das sei hier als letztes zum Gesang anzumerken, der eben erwähnte Song Cherry stellen- und bizarrerweise klingt, als hätten The Ataris während der Aufnahmesession zu So Long, Astoria auf einmal Eier bekommen. Ist aber nix schlechtes, ich mag verzweifelte-Teenager-Highschoolpunkrock. Besonders, wenn er progressive und post und überhaupt nicht verzweifelteteenageresk ist. Und eigentlich auch kein Punkrock. Genug davon.

A Healthy Fear weiß fernab dieser Thematik jedenfalls zu begeistern. Nette Melodien und eingedickte Riffs wechseln sich brav ab, die Elektrogeräte vergangener Longplayer bleiben dafür aber größtenteils im Schrank stehen. Kaum Elektrobeats, keine wirklich auffälligen Samples. Gifts From Enola wissen, dass es auch ohne geht. Die Dynamik der einzelnen Songs hält dabei die Spannungskurve des Albums hoch, auch wenn sich hier zeitweise zu sehr auf… ähm… invertiertem Crescendocore ausgeruht wird. Ein Paar mal zu oft startet ein Stück laut und wird dann zum Ende hin leiser, als sei man auf die Idee gekommen, mal alles genau andersrum zu machen. Macht aber im durchweg positiven Gesamteindruck des Albums nichts aus.

Anspieltipps bietet dieses Album mehrere, am ehesten würde ich als Empfehlung und charakteristischste Songs des Albums aber sowohl Track zwei, Robespierre, als auch Track fünf, The Benefits From Failure, anführen. Beide sind eben charakteristisch für diese eben sehr fette Platte und bieten diesen irgendwie-post-irgendwas, der zwar durch schöne Melodien begeistern kann, aber sie nicht erzwingt und auch mal seine gesamte Wucht sans crescendo erschallen lässt. Und das sogar mit Vocals. Verrückte Welt.*

* A propos Welt, ich glaube zu einem gut getimeten Einsatz von Benefit From Failure ließe sich der Weltuntergang nächste Woche ziemlich gut zelebrieren. Und passen tut der Titel mit Blick auf die aktuelle welt- oder auch generell politische Lage nun auch. Schade, dass mein Weltuntergangssoundtrack schon steht: Bee Gees – Stayin‘ Alive. Endlosschleife.

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Von Veröffentlicht am: 18.12.2012Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018716 WörterLesedauer 3,6 MinAnsichten: 862Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: , , , 0 Kommentare on Gifts From Enola – A Healthy Fear
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Über den Autor: Robin Aust

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