Oregon Trail – h/aven

Oregon Trail – h/aven

Der Oregon Trail war eine über 3000 Kilometer lange Siedlungsroute, die sich von Ost- nach Westamerika unter anderem über Rocky Mountains erstreckte. Gerade in der Erschließung dieses Weges fanden sich Pioniere immer wieder in ausweglosen Situationen wieder.

LP kaufen Vö: 16.02.2018 Czar Of Crickets

Eine Schweizer Band hat sich nach dieser Route benannt und veröffentlicht nun ihr zweites Album „h/aven“. Ganz so Hoffnungslos wie die damaligen Umstände klingen die Songs aber nicht.

„Sun Gone Missing“ eröffnet das knapp 40-minütge mit flächigen Ambientsounds bis die erste Melodie und kurz danach auch das Shouting von Fronter Charles-A. den Hörer in die musikalische Welt der Band einführt. Nach einer kurzen Pause wird der Hörer von einer wahren Wand überrollt. Der Sound ist sehr breit und druckvoll. Die vier Musiker machen keine Kompromisse und gehen nach vorne. Gegen Ende zeigen sich dann erste flirrende Melodien.

Zu „Aimless At Last“ wurde ein Video vom Schweizer Fotografen Sébastien Gerber gedreht, der sehr schön die nachdenkliche und gleichzeitig verzweifelte Atmosphäre des Songs sehr gut eingefangen hat. Joshua Orsi von der Band Promethee liefert hierbei einen gesanglichen Gastbeitrag, der gut mit den Shouts vom Frontmann harmoniert. Der Song ist sehr treibend und besticht durch seine Laut-Leise-Dynamiken, um an Ende in flirrende Gitarren auszuarten.

„Everlasting Walks“ zeigt zum ersten Mal an etwas andere Facette der Schweizer. Eine zaghafte Gesangsstimme begleitet leise Gitarren, die zum zurückhaltenden Schlagzeugspiel nach und nach an Fahrt aufnehmen. Die Band steigert sich immer mehr in den Song hinein, der zum Stampfer ausartet und durchaus Hoffnung zu vermitteln weiß. Gegen Ende wird das Tempo nochmals angezogen und die Melodien verlieren sich irgendwann in Gitarren-Feedbacks, gegen die sehr eindringlich angebrüllt wird.

Der Quasi-Titelsong „Aven“ startet ebenfalls sehr ruhig und melancholisch und lässt sich eineinhalb Minuten Zeiten, bevor der Hörer von einer Dampfwalze überrollt wird um kurz danach wieder in Melancholie zu verfallen. Nachdenklich vorgetragenen Zeilen wechseln sich mit Breitwandgitarren und Shouts ab. Nach einer kurzen Pause arten die Musiker schon fast Post Rock-mäßig in noisig-chaotisch wirkende Gefilde aus. Ein großartiges Stück zur Mitte des Albums…

„Safety The Storm“ steigt wieder mit der allgegenwärtigen Melancholie und Verzweiflung ein und nimmt sofort Fahrt auf um allerdings sofort wieder die Bremse zu treten. Das Spiel mit den Emotionen beherrscht die Band wirklich sehr gut. Man fühlt sich tatsächlich an einen Orkan mit seinen ruhigen Phasen erinnert. Leicht schwarz-metallische Züge werden sogar zwischendurch deutlich.

„Hound’s Will“ entwickelt sich vom stampfenden Tempo zu einem schnellen verzweifelten Song, der aber auch ein Fünkchen Hoffnung zu vermitteln weiß. Auch hier erzeugt das Zusammenspiel der vier Musiker einen unglaublichen Druck. In „Candles“ wird das Tempo nochmal angezogen und hymnisch anmutende Melodien tauchen auf. Zum Schluss machen sich sogar warme Klänge breit und das Lied klingt mit einem stimmigen Sprachsample aus.

Der letzte Song „Marbles“ zeigt anfangs nochmal, dass Oregon Trail in der Lage ist auch mit leiseren Klängen eine düster anmutende Stimmung zu erzeugen. Die flirrenden Gitarrenmelodien sind aber auch hier wieder schnell sehr präsent. Mit einem doomig-angehauchten Part wird der erste Teil des Stücks beendet und geht mit Hilfe eines Feedbacks über in einen zweiten mit verhalltem Gesang und gezupfter Gitarre sehr atmosphärischen Part. Ein überraschend ruhiges Ende für ein Album, dass doch sehr fordernd sein kann.

Am Sound der Band gibt es fast nichts zu meckern. Die Gitarren klingen rotzig und differenziert. Vom Schlagzeugspiel ist jede Nuance zu hören und auch gesanglich wird eine recht große Bandbreite abgedeckt. Einzig der Bass geht zwischendurch etwas unter. An Druck fehlt es nicht, nur könnte dieser im gesamten Mix etwas offensichtlicher abgemischt sein. Das ist allerdings auch Kritik auf hohem Niveau und fällt wahrscheinlich eher nur Musikern auf. Insgesamt wird dem Hörer definitiv ein ordentliches Brett serviert.

Mit „h/aven“ ist es Oregon Trail gelungen zu zeigen, dass mit europäischen Bands im düster-modernen Hardcore immer wieder zu rechnen ist. Ein wenig erinnert mich das Ganze an eine mittlerweile leider aufgelöste belgische Band, die sich allerdings vollends der Dunkelheit hingegeben hat. Oregon Trail schaffen es mit abwechslungsreichen und vor allem emotionalen Songs den Hörer mit einem wohligen Gefühl zurückzulassen. Es wäre schade, wenn die vier Schweizer nicht mehr Aufmerksamkeit erhalten würden. Sie hätten es definitiv verdient.

 

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Von Veröffentlicht am: 17.02.2018Zuletzt bearbeitet: 22.12.2018739 WörterLesedauer 3,7 MinAnsichten: 778Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 1 Kommentar on Oregon Trail – h/aven
Von |Veröffentlicht am: 17.02.2018|Zuletzt bearbeitet: 22.12.2018|739 Wörter|Lesedauer 3,7 Min|Ansichten: 778|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: |1 Kommentar on Oregon Trail – h/aven|

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Über den Autor: Heiko Lueker

Sozialarbeiter, Heilerziehungspfleger und Musiknerd. Wenn ich nicht arbeite oder Artikel für prettyinnoise.de schreibe, spiele ich Bass in der Post-Hardcore Band Sleeping God oder schaue mir Filme, bevorzugt Science Fiction oder Horror, an. Außerdem bin ich in der Musikerinitiative Laut & Lästig e.V. in Kamen aktiv. Meine musikalischen Vorlieben sind breit gefächert, aber besonders begeistert mich alles, was irgendwie laut, atmosphärisch oder chaotisch ist und ballert. Deftones, Converge, Cult Of Luna, Thrice, Norma Jean und Will Haven sind Bands, die mich über Jahrzehnte begleiten.

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