Self Cutting Vinyl – Borderline für Vinyl-Nerds?

Self Cutting Vinyl – Borderline für Vinyl-Nerds?

In Zeiten ständig steigender Vinyl Absatzzahlen, die in den USA beispielsweise im Jahr 2014 um 38% zunahmen, kommen findige Entwickler oder auch Geschäftsleute auf eine interessante Idee: Warum nicht einfach mal ein Gerät anbieten, dass dem Käufer die Möglichkeit bietet, Vinyl selber zu pressen/schneiden. Das ist Do-it-yourself und wird bestimmt den einen oder anderen Vinylnerd zu Begeisterungsstürmen hinreissen lassen.

Es laufen bereits sogenannte Crowd-Funding Kampagnen, um den Traum von der Vinylpresse im eigenen Wohnzimmer wahr machen zu können. Und die Unterstützung ist bereits groß. Für den Käufer des Produkts, welches bisher von zwei unterschiedlichen „Firmen“ vorgestellt wurde, wird ein langgehegter Traum wahr. Für einen Kaufpreis von etwa 4.000$ bis 5.000$ ist es möglich, per USB Verbindung beispielsweise seine itunes Mediathek, CD`s oder eigene Aufnahmen einfach auf Vinyl zu bannen. Gerade für Bands dürfte das Projekt „Cutted at home“ interessant sein. Nie war es so einfach, sein neues, im Probenraum digital aufgenommenes Album auf Vinyl zu bannen, um es anschließend über den Eigenvertrieb an seine Fans zu verkaufen. Interessant wird es auch für Sammler, die ein bestimmtes Album, welches nie auf Vinyl erschienen ist, einfach von CD auf Schallplatte zu pressen.

vinylpressing
Klingt alles schön und gut, aber die wahren audiophilen Vinylsammler schlagen insgeheim schon die Hände über dem Kopf zusammen. Denn zu einer ordentlichen Schallplatten-Pressung gehört im Vorfeld auch ein analoges Mastering. Beim Vinyl Mastering ist besonders auf die Stereokompatibilität und den Frequenzverlauf zu achten. Um es kurz zu sagen: Wer einfach eine digitale Musikdatei auf ein analoges Medium presst, wird mit dem Endergebnis vermutlich überhaupt nicht zufrieden sein. Nicht umsonst gibt es extra Vinyl Mastering Studios, in denen mit analogen Kompressoren, Limitern und anderen Geräten der finale „wärmere“ Master erstellt wird. Ergibt das also überhaupt einen Sinn, digitale Dateien stumpf auf ein analoges Medium zu bannen? Gibt es inzwischen Analog Mastering Software, die für den Laien (ohne tontechnisches Vorwissen) zu bedienen ist? Ich glaube nein. Vermutlich wird das aber einen Großteil der solventen Käufer überhaupt nicht abschrecken. Während schwangere Frauen sich ihr Baby im Bauch per 3D-Drucker ausdrucken können, um so vor ihren Freunden und Familienangehörigen sagen zu können „hier, mein erstes Ultraschall-Abbild“ können vermutlich auch schon bald die ersten Vinyljunkies ein erfreutes „hier, mein erstes selbstgeschnittenes Vinyl“ freudig in der Szene Cocktailbar über die Theke rufen. Warum nicht? Wenn es geht.

Ein weiteres Problem wird in meinen Augen der rechtliche Aspekt sein. Darf ich als Privatperson, einfach das neue Album von einer x-beliebigen Band so ohne weiteres vervielfältigen? Eine digitale Datei auf Schallplatte zu bannen, ist das überhaupt eine eins-zu-eins Kopie? Dürfte ich mein Lieblingsalbum hundert Mal pressen und als „Self Cut“ bei Ebay anbieten? Oder laufen dann die Rechtsabteilungen der betreffenden Plattenfirmen Sturm und es hagelt daraufhin Abmahnungen mit gehörigen Schadensersatzforderungen? Eine Vervielfältigung für den Privatverbrauch wird sicher kein Problem sein, aber was ist mit den „Bootleggern“? Werden die dann den Markt mit äußerlich täuschend echten Kopien überschwemmen die aber leider absolut miserabel klingen? Die rechtlichen Fragen lassen sich so auf Anhieb nicht beantworten, aber Probleme sind vorprogrammiert.

vinylsales
Als Fazit möchte ich gerne festhalten: Für Bands, die in Eigenregie ein Album produzieren, und sich in Sachen Tontechnik auch ein Wenig auskennen, ist diese Innovation sicher interessant und sinnvoll. Eine einmalige Investition die sich schon nach kurzer Zeit (bei entsprechenden Vinyl Verkäufen) rentieren könnte, wird für so manche Semi-professionelle Band durchaus ein Objekt der Begierde sein. Das ist DIY pur und wird bestimmt in der Szene gut ankommen. Dem „normalen“ Musikkonsument ohne tontechnisches Hintergrundwissen würde ich jedoch dringend davon abraten. Auch der sehr hohe Anschaffungspreis wird, denke ich, viele Vinylliebhaber abschrecken. Die werden das Geld sicher viel lieber in Originalpressungen stecken. Ich kann leider nicht abschließend beurteilen, ob sich diese, eigentlich gute und innovative, Idee durchsetzen wird. Ich wage aber zu prognostizieren, dass das Produkt nur in kleinsten Auflagen produziert wird und dementsprechend auch keine Massenware wird. Nein, ich hoffe es sogar.

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Von Veröffentlicht am: 11.01.2015Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018685 WörterLesedauer 3,5 MinAnsichten: 846Kategorien: Artikel, NewsSchlagwörter: , , , , , 0 Kommentare on Self Cutting Vinyl – Borderline für Vinyl-Nerds?
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Über den Autor: Jan Platek

Geboren 1976 Vater, Vinyl-Sammler und Musiker

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