Spoiwo im Interview
Spoiwo sind aktuell die wohl begehrtesten Post Rock-Newcomer Europas. Was diese Band ausmacht und wieso sie eigentlich gar keine Newcomer sind, erfuhr ich von Gitarrist Piotr Gierzyński auf dem Dunk! Festival.
Piotr: Wenn man die Kapazitäten betrachtet, waren die Shows mit God is an Astronaut, die wir als exklusiver Support zu drei Auftritten in Polen begleiteten, größer als hier. Wir haben dort Shows vor mehr Besuchern gespielt als auf diesem Festival. Aber bei den Konzerten kommen die Besucher für den Hauptact, nicht für die Supportband, sodass die Atmosphäre während unseres Auftritts schon eine andere war. Hier waren wir zwar auch nur so etwas wie eine Supportband, aber die Atmosphäre war so schön, dass wir uns wirklich fühlten, als wären die Besucher unseretwegen gekommen! Und es war uns ein großes Vergnügen, hier auftreten zu dürfen.
Mit God is an Astronaut zu touren, hat uns allerdings auch sehr viel gebracht und wir konnten viel von ihnen lernen. Sie waren so offen und unterstützend und haben viel von ihrer Erfahrung, die sie in den letzten Jahren gemacht haben, mit uns geteilt.
Piotr: Letztes Jahr im Mai, also vor genau einem Jahr, bekamen wir eine Nachricht von einem der Booker vom Dunk!, ob wir auftreten wollen. Es war also praktisch eine Einladung oder Anfrage. Also entschieden wir, das zu machen.
Piotr: Manchmal, wenn wir auf den vergangenen Shows einen schlechten Abend hatten, fühlte ich mich auch, als würden wir es gar nicht verdienen, hier aufzutreten. Dass wir gar nicht hier sein sollten und dass es viele andere Bands gibt, die viel besser sind als wir. Aber es ist für uns wirklich ein großes Glück hier zu sein! Wir wurden von der kleineren auf die größere Bühne verlegt und das war wundervoll!
Piotr: Ja, die Reaktion von den Leuten war auch so schön. Weißt du, in Polen kennt man uns und mit jedem Konzert, das wir dort gespielt haben, kamen mehr und mehr Besucher. Aber hier denke ich, dass viele der Besucher unsere Musik gar nicht kannten. Es waren einige Leute im Publikum, von denen ich weiß, dass sie unsere Musik vorher kannten, aber ich denke, das war eine Minderheit. Und trotzdem waren alle Besucher sehr freundlich und warm. Und nach dem Auftritt kamen viele Leute ins Merch-Zelt – ältere oder jüngere Leute – und alle sagten, dass sie geweint haben und ich dachte nur „Fuck, ich habe davon seit 15 Jahren geträumt!“ und es war echt wahnsinnig.
Piotr: Das stimmt, wir haben an diesem Wettbewerb teilgenommen und hatten damit unseren ersten Auftritt. Es gab die Band ja schon sehr lange, aber wir hatten nie den Mut, wirklich einen Schritt nach vorn zu gehen, weil wir Angst hatten, dass wir das nicht hinkriegen. Es hat allein sechs Jahre gedauert, unser erstes Album, das wir letztes Jahr veröffentlicht haben, fertigzustellen!
Piotr: Ja, sehr! Wir hatten wortwörtlich 100 verschiedene Versionen eines Songs, bevor wir das Album aufgenommen haben. Und auch die Musik, die wir auf der Bühne spielen, ist für uns eigentlich ungenügend, denn auf Aufnahmen hast du viel mehr Möglichkeiten, mit wenigen Instrumenten nach viel zu klingen, weil du mehrere Spuren übereinander legen kannst und so weiter.
Aber nachdem wir dann das Album veröffentlicht hatten, explodierte alles förmlich. Zuerst wurden wir eingeladen, auf einem Festival neben Tides From Nebula, Skyharbor und sleepmakeswaves zu spielen, dann machten wir Support für God is an Astronaut, Maybeshewill und damit kamen wir zu unserer ersten Europatour, die bisher wirklich gut läuft. Und jetzt glauben wir so langsam an uns! *lacht*
Piotr: Es ist ja nun unsere erste richtige Europatour überhaupt. Wir haben zwar schon einmal in Berlin und Potsdam gespielt, aber es waren eben nur zwei Einzelshows. Auf dieser Tour sind es 12 Shows in Deutschland, den Niederlanden, Belgien und der Slowakei, davon vier Festivals.
Piotr: Wir kennen uns eigentlich schon seit 20 Jahren, genau genommen seit der vierten Klasse in der Grundschule und sind gewissermaßen zusammen aufgewachsen. Nach der Grundschule sind wir aber auf verschiedene Schulen gekommen und haben uns ziemlich vermisst. Als ich dann später mit dem Studium begonnen habe, haben wir uns dazu entschlossen, unsere Freundschaft wieder mehr zu stärken und gemeinsam Musik zu machen. Zu der Zeit konnte aber niemand von uns ein Instrument spielen, also haben wir uns erst einmal die Zeit genommen, um gemeinsam die Musik zu erlernen und auch uns gegenseitig besser kennenzulernen, obwohl wir ja fast unser ganzes Leben irgendwie gemeinsam verbracht haben. Und so haben wir mit der Zeit einen Weg gefunden, uns gegenseitig zu verstehen, in persönlicher uns musikalischer Weise. Das war der Punkt, an dem wir beschlossen haben, dass wir etwas Größeres machen können. Zusammengefasst ist die Geschichte unserer Band eigentlich die Geschichte einer Freundschaft – einer Hardcore-Freundschaft. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt war es auch noch möglich, in die Band mit einzusteigen, wenn man zu unseren wirklich engen Freunden gehörte. So wurden wir auch aus drei Personen eine fünfköpfige Band.
Piotr: Durch unsere starke Verbundenheit ist es so, dass man auf niemanden verzichten kann, weil er vielleicht etwas hinterher hängt oder weniger zuverlässig ist. Man muss miteinander umgehen können, egal, was passiert. Wir müssen uns gegenseitig respektieren, auch wenn wir uns manchmal wirklich gegenseitig hassen. Man kann ja nicht mal eben jemanden anschreien, weil man weiß, dass es die Band in Zukunft negativ beeinflussen wird. Es ist, als wären fünf Menschen mit einander verheiratet und ich denke, das fasst es gut zusammen. In einer Ehe geht man auch durch gute und schlechte Zeiten. Zusammen zu touren ist da natürlich auch hart. Man ist 24 Stunden lang zusammen, über Tausende Kilometer, vier Männer und eine Frau – sie ist aber auch eher wie ein Mann, momentan. *lacht* Es ist genau so schön wie es anstrengend ist.
Piotr: Tatsächlich sind wir auch gar keine Post Rock-Fans! Ehrlich gesagt haben wir niemals Post Rock gehört und es war auch nie eine Inspiration für uns. Ich weiß, dass es komisch klingt und vielleicht auch lächerlich, aber manchmal muss ich mich wirklich dazu zwingen, neue Alben zu hören. Ich habe vielleicht höchstens einmal ein Album von Mogwai gehört und auch erst letzte Woche zum ersten Mal überhaupt etwas von Explosions in the Sky! Wir haben unsere musikalischen Wurzeln alle in unterschiedlichen Genres. Das ist es aber vielleicht, was die Leute dazu bringt, zu sagen, dass wir mit unserer Musik über das Genre hinausgehen und eine neue Richtung einschlagen. Damals, als wir unsere Songs geschrieben haben, sagten Leute zu uns „Das, was ihr macht, ist Post Rock“ und wir hatten keine Ahnung davon. Ich will jetzt auch nicht behaupten, dass wir etwas gänzlich Neues entdeckt hätten. Es war uns nur einfach vorher unbekannt.
Piotr: Interessant für mich ist, dass wir, obwohl wir keine Ahnung von dem Genre hatten, doch ziemlich genau den musikalischen Regeln folgen. Wenn du spezielle Effektgeräte nutzt, wenn du keinen Gesang hast, wenn du dich von den Emotionen leiten lässt, wenn du die Musik sich einfach aufbauen lässt, dann endest du in einem Genre, von dem du keine Ahnung hattest. Das bedeutet, es steckt eigentlich etwas Mathematisches innerhalb dieser Musik.
Piotr: Wir nennen es eigentlich gern Cinematic Music, weil wir uns sehr stark von Soundtracks inspirieren lassen. In unserer Musik steckt nicht viel der üblichen Techniken des Post Rock. Wir haben kein Tremolo Picking, wir spielen nicht zuerst ruhig und dann heavy, wir versuchen einfach Emotionen zu nehmen und sie so lange aufzurollen, bis sie explodieren.
Piotr: Ja! *lacht* Nein, um ehrlich zu sein, versuchen wir schon, in Zukunft etwas zügiger zu arbeiten. Für uns wäre es schön, wenn wir es hinkriegen, ein weiteres Album 2017 zu veröffentlichen, aber das können wir natürlich nicht versprechen.
Piotr: Du kannst perfektionistisch sein, aber du musst unbedingt auch eine Perspektive außerhalb deiner Band einnehmen können, bis zu einem gewissen Grad, denn andernfalls wird es zu schnell unglaublich anstrengend. Wir sind innerhalb der Band sehr demokratisch, sodass jeder seinen Senf dazugeben darf, bis alle zufrieden sind und das ist bisweilen sehr zeitaufwändig. Es ist, um ehrlich zu sein, gar kein spaßiger Prozess. Ich habe mir das Album auch nach der Veröffentlichung noch ein paar Male angehört, aber immer nur, um zu prüfen, ob die Toneinstellungen stimmen, ob die CD vernünftig aufgenommen wurde, so etwas eben.
Aber manchmal, wenn ich betrunken bin, gucke ich mir das Video zu „Skin“ an und jedes Mal bewegt es mich. Ich versuche dann, so objektiv wie möglich zu sein, als wäre ich nicht einmal ein Teil dieser Band, und dann verschafft es mir auch schon eine Gänsehaut, wenn ich die Musik höre.
Piotr: Ich würde viel schneller an der Musik arbeiten. Es gab eine Zeit von ungefähr zwei oder drei Jahren, in der wir ausschließlich Kleinigkeiten an Songs geändert haben, die der Musik keinen größeren Wert verschafft hat. Zeitweilig haben wir uns damit eigentlich nur im Kreis gedreht. Und die zweite Sache ist, selbstsicherer in dem zu sein, was wir machen. Das ist etwas, das wir jetzt noch so schnell wie möglich lernen müssen. Ich denke, ich würde nichts Anderes ändern wollen. Jetzt ist es unsere Aufgabe, schneller zu werden.
Piotr: Ganz genau.
Piotr: Ich würde sagen, das ist Sigur Rós. Ich bin aber auch ein großer Fan des letzten Albums von 65daysofstatic, deswegen bin ich sehr froh, hier zu sein und sie heute Abend zu sehen. Ich hatte mich ursprünglich auch darauf gefreut, Mutiny on the Bounty zu sehen, aber leider mussten sie ja absagen.
Piotr: Ich danke ebenfalls!
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